Was hält die EZB von einer möglichen Bargeldabschaffung?

Der Anfang vom Ende des Bargelds? Das war die übergeordnete Fragestellung, unter der wir die Europäische Zentralbank um Ihre Meinung zum aktuellen Thema der Bargeldabschaffung befragt haben.

Vorwort – welche Rolle spielt die EZB innerhalb EU im Zusammenhang mit Bargeld?

Die Europäische Zentralbank ist ein offizielles Organ der Europäischen Union und sorgt in den Ländern, die den Euro eingeführt haben für Preisstabilität und dafür, die Kaufkraft der Währung aufrechtzuerhalten. Neben der Hauptaufgabe der EZB, durch ihre Geldpolitik (z.B. durch die Festlegung des Leitzinses) für Preisstabilität und ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum zu sorgen, organisiert die EZB die EU noch in einer anderen entscheidenden Sache. Die Europäische Zentralbank ist dafür allein verantwortlich, neue Banknoten in der EU zu genehmigen und auszugeben. Daher kommt der Europäischen Zentralbank auch in Sachen Bargeld und Geldkreislauf eine entscheidende Aufgabe zu.

Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank

Und so steht die EZB zur Abschaffung des Bargelds

Tilman Allar / Damien Perdrix: Zu Beginn eine einleitende Frage: Befürworten Sie generell die Abschaffung des Bargelds?

EZB: Nein.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Wieso befürworten/ lehnen Sie diese Vision ab?

EZB: Schon vor vielen Tausenden von Jahren – mit Beginn der Arbeitsteilung in der Menschheit – bedurfte es eines einfachen Tauschmittels. Physisches Bargeld ist die einfachste Form von Geld um im direkten Kontakt eine Zahlung zu erbringen.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Welche Argumente sprechen für Sie?

EZB: Erste Beschränkungen von Barzahlungen gab es in Europa in der Zeit des 2. Weltkrieges, als Bargeld noch 1:1 durch Gold gedeckt war und dieses knappe Gut für anderen Zwecke verwandt wurde. Heute werden die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vortragen. Diese Argumente sind aber nicht stichhaltig; keine Mafiaorganisation würde plötzlich die Tätigkeit einstellen und einer ehrlichen Beschäftigung nachgehen, wenn es kein Bargeld mehr gebe.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Sehen Sie auch Risiken / Chancen (falls Pro Abschaffung: Risiken, falls Contra Abschaffung: Chancen) in einer Abschaffung des Bargelds?

EZB: Ich sehe ehrlich gesagt keine Chancen, sondern nur Risiken. Es bräuchte ein alternatives sicheres Zahlungsmittel was immer, überall und in Krisensituationen funktioniert. Bis gibt es aber auf absehbare Zeit nicht.  Auch müssten alle Nachbarländer mitmachen, sonst würde z.B. der Schweizer Franken oder das Britische Pfund die Rolle des Bargeldes übernehmen.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Wie beurteilen Sie die Akzeptanz eines komplett bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der Gesellschaft?

EZB: Dies ist eine Illusion. Die Bürger wollen sicheres, stabiles Geld. Dies kann nur die Zentralbank garantieren. Ich kenne auch keine politische Partei, die dies fordert. Dies zeigt, dass dies fern der Realität ist. Die Diskussion kam vor ein paar Jahren von einem Wirtschafts-Wissenschaftler in einem ganz anderen speziellen Zusammenhang auf, und sie wurde dann von Interessengruppen „befeuert“, die eine Chance sehen mehr Geld zu verdienen.

Die Mehrheit der Deutschen, rund 74% (laut Statista 2018), möchten weiterhin sicheres Bargeld überall nutzen können.

 

Tilman Allar / Damien Perdrix: Würde die komplette Abschaffung des Bargelds gegen deutsche oder europäische Gesetze verstoßen?

EZB: Ja. Es ist die Aufgabe der Deutschen Bundesbank die Bevölkerung mit Bargeld zu versorgen. Auch der EU-Vertrag sieht das Vorhandensein von Euro-Banknoten und Münzen vor. Anmerkung der Redaktion: Mehr zur Rechtlichen Grundlage des Bargelds erfahren Sie hier.

Tilman Allar / Damien Perdrix: In dem Interesse welcher Gruppen / Akteure ist Ihrer Meinung nach eine Abschaffung des Bargelds und wieso?

EZB: Am meisten würden die Geschäftsbanken und amerikanische Kreditkartenanbieter profitieren, die auch heute schon bei jeder einzelnen Zahlung eine kleine Gebühr erheben können. Wenn man als Kunde in einem Geschäft einkauft, sieht man diese Gebühr nicht – aber sie wird erhoben und von den Geschäften bezahlt. Ohne Bargeld bestünde auch das Risiko, dass diese Gebühren merklich anstiegen.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Sollte diese Zukunftsvision mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte bekommen? Was würden Sie von einer politischen Diskussion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (etwa bei „hart aber fair“) halten?

EZB: Dies macht eigentlich keinen Sinn, da es einen breiten politischen Konsens gibt, dass Bargeld erforderlich ist. Durch die Bargeldausgabe bekommt der Staat auch erhebliche Einnahmen. Würde Bargeld wegfallen, würden diese Verluste durch Steuererhöhung kompensiert werden.


Darüber hinaus haben wir der Europäischen Zentralbank einige spezielle Fragen gestellt.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Welche Konsequenzen würde die Abschaffung des Bargelds für die EZB haben?

EZB: Das Vertrauen in den Euro würde beschädigt werden. Der Wert des Euros gegenüber anderen Leitwährungen würde fallen. Aber die Abschaffung wäre eh erst möglich, wenn die EZB eine digitale „Banknote“ ausgeben würde. Das ist aber nicht absehbar.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Erhoffen Sie sich Kostenvorteile und inwiefern würden diese die EZB profitabler machen?

EZB: Kostenvorteile sehe ich nicht, im Gegenteil. Es würden zunächst die Einnahmen aus der Bargeldausgabe wegfallen. Sofern jedoch eine „digitale Banknote“ ausgegeben wurde, müsste diese so fälschungssicher sein wie die derzeitigen Noten, ist schwer einzuschätzen.

Bild von der Vorstellung des neuen 20-Euro Scheins

Tilman Allar / Damien Perdrix: Wie schätzen Sie das Verhältnis von Gewinnern und Verlierern einer Abschaffung des Bargelds ein? Und wer sind aus Ihrer Sicht Gewinner und ggf. Verlierer?

EZB: Gewinner: Banken, Zahlungsdienstanbieter, Kreditkartenanbieter (MasterCard. Visa, etc. ) Verlierer: Bürger, Staat.

Tilman Allar / Damien Perdrix: Denken Sie, dass bei einer Abschaffung des Bargelds jede Bank jedem Bürger ein kostenfreies Konto anbieten muss, damit jeder Bürger am Zahlungsverkehr weiter teilnehmen kann?

EZB: Das ist der Fall. Und es müsste evtl. sogar ein Konto bei der Zentralbank sein, damit die Gelder unbegrenzt garantiert sind, denn eine Zentralbank kann nicht pleitegehen, eine kommerzielle Bank schon.
Wir möchten Ihnen nun noch unsere abschließende Frage stellen: Für wie wahrscheinlich halten Sie den komplett bargeldlosen Zahlungsverkehr in der Zukunft?

EZB: Ich denke, dass auch Eure Generation und die Eurer Kinder mit Papiergeld aufwachsen werden und Monopoly mit Spielgeld spielen werden. Für alle Währungen, bis auf eine (Schweden), steigt der Umlauf, die Realität sieht also ganz anders aus.


Quellen für Informationen und Statistiken:

https://www.ecb.europa.eu/ecb/tasks/html/index.de.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/431341/umfrage/umfrage-zur-bargeld-abschaffung-in-deutschland/

Bilder: Europäische Zentralbank via flickr

Damien Perdrix

Seit der Gründung des Juniorunternehmens "EQuotes" mit dem Wirtschaftskurs der Europäischen Schule Frankfurt a.M. stieg mein wirtschaftliches Interesse. Etwa durch die Erstellung eines Businessplans konnte ich mein Wissen erweitern. Heute studiere ich BWL an der EBS Uni in Oestrich-Winkel.

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